Please use this identifier to cite or link to this item: https://doi.org/10.21256/zhaw-30231
Publication type: Book
Type of review: Editorial review
Title: Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch
et. al: No
Editors: Böhm, Manuela
Hohenstein, Christiane
DOI: 10.17192/obst.2023.101
10.21256/zhaw-30231
Extent: 201
Issue Date: 18-Aug-2023
Series: OBST Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie
Series volume: 101
Publisher / Ed. Institution: Universitätsbibliothek Marburg
ISSN: 0936-0271
Language: German
English
Subjects: Spracherwerb; Schriftsprache; Deutsch; Inklusiv
Subject (DDC): 378: Higher education
400: Language, linguistics
Abstract: Seit den frühen OBST-Ausgaben besteht eine Kontinuität in der Auseinandersetzung mit Schriftaneignung.1 Der Erwerb der Schrift und der Schriftsprache ist in den deutschsprachigen Ländern (hier im Fokus: Deutschland, Österreich, Deutschschweiz) die Voraussetzung für einen erfolgreichen Verlauf der Bildungskarriere und für gesellschaftliche Partizipation. Beide, Schrift und Schriftsprache, sind nicht das Resultat einer natürlichen Entwicklung, sondern erfordern Ausbildung und kontinuierliche Entfaltung bis in das Berufs- und Erwachsenenleben hinein. Ein wichtiger Schritt dahin ist die Aneignung von Schrift und Schreiben als Basis für den Auf- und Ausbau konzeptioneller Schriftlichkeit und einer formal-öffentlichen Registerkompetenz (Feilke 2011, Maas 2008). Die didaktischen Überlegungen dazu reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert und sind in einer Reihe von Disziplinen verankert, deren Ergebnisse bis heute weitgehend unverbunden nebeneinander stehen. Zu nennen sind hier die Grundschul- und Sonderpädagogik, die (Lern-)Psychologie, die Sprachdidaktik der Erst-, Zweit- und Fremdsprache Deutsch, die Linguistik der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit, die Sprachgeschichtsschreibung und die seit 2000 stark angewachsene Schreibforschung, die mit der Digitalisierung zunehmend in den Bereich des standardsprachlichen Schriftspracherwerbs drängt. Wenn wir im Titel von inklusivem Schrift- und Schriftspracherwerb in Bezug auf das Deutsche sprechen, muss zunächst der zugrundegelegte Inklusionsbegriff geklärt werden. Eine inklusive Deutschdidaktik wird für den Primarschul- und Regelschulbereich erst seit 2014 diskutiert (vgl. Haddara 2018). Für diese sind ein erweiterter Schrifterwerbsbegriff sowie erweiterte Begriffe des Lesens und Schreibens zentral, die einen grundlegenden Einbezug aller Diversitätskategorien und ein Verständnis von Intersektionalität erfordern (ebd. S. 43–44). Ebenso erscheint eine Erweiterung des Blicks über den schulischen Bereich hinaus notwendig. Vor diesem Hintergrund von inklusivem Schrift(sprach)erwerb treten mindestens die folgenden Themen hervor: (i) Schulische und außerschulische Schriftsprachaneignung in sprachdiversen Gruppen (inkl. Berufsfachschul- und Berufskontexte) (ii) Erschwerter Erwerb der Laut- und Schriftsprache im Kontext von Hörbehinderung und Gebärdensprachen (iii) Sonderpädagogische Vermittlung von Schrift- und Standardsprache, Unterstützte Kommunikation (UK, Augmented and Alternative Communication AAC) (iv) Schulischer Schriftspracherwerb im dialektalen und mehrsprachigen Umfeld (v) Alphabetisierung und Schriftsprachaneignung von Erwachsenen mit DaZ (Mehrschriftigkeit) (vi) Schrift- und Standardsprache aus der Perspektive von (mehrsprachigen) Lehrpersonen für DaF/DaZ (vii) Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung: Beitrag digitaler Tools zur Schriftsprachaneignung. Traditionell werden diese Fragestellungen in den angesprochenen Disziplinen ohne Bezugnahme auf die Erkenntnisse der je anderen Fachdisziplinen beforscht.
Further description: Die OBST-Ausgabe soll disziplinäre Übergänge kenntlich machen und sie soll in einer Öffnung auf inklusive Ansätze der Schrift-Sprach-Vermittlung aufzeigen, wie die sprachwissenschaftliche Erforschung von Prozessen des Schriftspracherwerbs bzw. der Schriftsprachaneignung zu einer inklusiven Sichtweise beitragen kann. Eine hohe Aktualität erfährt die Auseinandersetzung mit schriftsprachlichen Kompetenzen einerseits im Zusammenhang mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche, andererseits mit der Notwendigkeit, die UN-BRK und die UN-Nachhaltigkeitsziele 2030 umzusetzen.2 Sie spiegelt sich auch in der Bewegung zur inklusionsorientierten Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Hußmann & Welzel 2018, Rott, Zeuch, Fischer, Souvignier, & Terhart 2018, Rödel & Simon 2019), in der die Sprache indessen (noch) nicht als zentrales Thema gesetzt ist. Innerhalb des Spektrums der genannten Themen betrifft ein Bereich den schulischen Schriftsprachaneignungsprozess in mehrsprachigen Konstellationen und in dialektal geprägten Räumen, in denen gesprochene und geschriebene Sprache in besonderem Maße differieren. Der Aneignungsprozess durch Lernende im Spannungsfeld zwischen gesprochenem Dialekt und schriftsprachlichem Standard wird bereits in früheren Arbeiten z. B. zu Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Erstsprache (Ammon 1972 a, b; 1973) und in sprachdidaktischen Ansätzen (z. B. Hasselberg 1982, Dehn 1986, Meiers 1998) bearbeitet. Obwohl eine breite Forschungsgrundlage zu Schriftspracherwerb von Kindern im DaZ-Bereich vorliegt, 3 fehlen aktuelle, empirisch basierte Untersuchungen und methodisch-konzeptionelle Überlegungen, die intersektional hoch diversifizierten Gruppen von Lernenden gerecht werden. Denn so unterschiedlich wie die Sprachräume sind die Lernenden mit ihren jeweiligen Erwerbsbedingungen: Für Kinder beim Schuleintritt, Erwachsene im Zweitschrifterwerb oder Personen, die nicht mit einer Alphabetschrift sozialisiert worden sind, gelten unterschiedliche Bedingungen des Erwerbs bzw. der Aneignung. Auch die Verwendung von mehr als einer Modalität, z. B. Gebärdensprache neben Lautsprache, oder Unterstützte Kommunikation mit assistiven Technologien können einen zusätzlichen Einfluss auf die Aneignung der Schriftsprache ausüben. OBST 101 möchte den Blick weiten und legt den Fokus auf drei zu differenzierende Gruppen von Lerner*innen, deren Aneignung der Schriftsprache (Lesen und Schreiben) durch ein mehrsprachiges und dialektales Umfeld erschwert oder spezifisch geprägt wird: (1) Schreib- und Leseanfänger*innen aus Deutschland, der Deutschschweiz und Österreich, die erstsprachlich mit und in einem deutschsprachigen Dialekt aufwachsen und beim Schuleintritt mit der bewussten und expliziten Auseinandersetzung mit Schrift herausgefordert sind. (2) Lernende in verschiedenen Lebensaltern, die Deutsch als Zweitsprache lernen, sei es im schulischen Kontext, in Sprach- und Alphabetisierungskursen oder in Situationen des ungesteuerten Spracherwerbs. Je nach Erwerbssituation und bereits erfolgter Schriftaneignung in der Erstsprache, ist hier von unterschiedlichen Lernprozessen auszugehen. (3) Personen, die durch eine Sprech- oder Hörbehinderung einen erschwerten Zugang zur deutschen Schriftsprache haben und bei denen dieser durch die Diglossie in ihrem Dialektumfeld nochmals erschwert wird. In diese Gruppe zählen Gebärdensprachnutzenutzende, die Deutsch de facto als Fremdsprache erwerben und die lautsprachliche Modalität eingeschränkt erwerben (können). Aber auch Personen, die 2 Ein Kernanliegen beider ist der Zugang zu hochwertiger Bildung und zu menschenwürdiger Arbeit für alle: für beides ist die standardisierte deutsche Schriftsprache ein Zugangskriterium. Der Nutzen der Digitalisierung wiederum erschliesst sich erst auf der Basis von ausgeprägten Lese- und Schreibkompetenzen. 3 Zu denken wäre an die Arbeiten von Belke (2019), Röber (2012), Jeuk & Schäfer (2012), sowie an Maas & Mehlem (2003) Forschungslücken zu schließen sind und was der von Euch geplante Band dazu beitragen könnte. Manuela Böhm & Christiane Hohenstein (Hrsg.) unterstützt kommunizieren, die z. B. über Buchstaben- und Symboltasten eine elektronische Sprachausgabe bedienen, kommunizieren produktiv in einem Schriftsprachestandard, der von der Rezeption ihrer (dialektalen) Umgebung zu differenzieren ist. Mit dem gegenwärtigen Digitalisierungsschub, der durch die Corona-Pandemie nochmals verstärkt wurde, ergeben sich neue didaktische Möglichkeiten, z. B. über unterliegende Textdatenbanken mit Hilfe von Apps die Schriftsprache textuell über Bausteine zu erlernen. Wenig untersucht ist bislang, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Schriftsprachaneignung jenseits von der Textfähigkeit hat, bzw. ob die Aneignung der Schriftsprache durch diese Entwicklungen grundsätzlich stärker in die Richtung einer Textkompetenz, als integrale Kompetenz tendiert. Das OBST-Heft soll thematisieren, was Schriftsprache für diese unterschiedlichen Gruppen bedeutet und wie ihre Aneignung der Schriftsprache gefördert oder unterstützt werden kann. Bibliographie: Ammon, U. (1972a). Dialekt als sprachliche Barriere. Eine Pilotstudie über die Schwierigkeiten von Dialektsprechern im Schulaufsatz. In: Muttersprache 82, 224–237. Ammon, U. (1972b). Dialekt, soziale Ungleichheit und Schule. Weinheim. Ammon, U. (1973). Dialekt und Einheitssprache in ihrer sozialen Verflechtung. Weinheim. Belke, Gerlind (2019). Mehr Sprache(n) für alle. Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft. Baltmannsweiler: Hohengehren. Jeuk, Stefan & Joachim Schäfer (2012). Deutsch als Zweitsprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Stuttgart:Klett Dehn, M. (1986). Über die Aneignung des phonematischen Prinzips der Orthographie beim Schriftspracherwerb. In: Brügelmann, H., Hg., ABC und Schriftsprache. Konstanz, 97–111. Feilke, H. (2011). Literalität und literale Kompetenzen: Kultur, Handlung, Struktur. http://www.leseforum.ch/myUploadData/files/2011_1_Feilke.pdf (Zugriff 30. 01.2021) Haddara, Myriam (2018). Das Konzept des Seminars "Inklusion im Kontext von Sprachvermittlung". In: Dealing with Diversity. Innovative Lehrkonzepte in der Lehrer*innenbildung zum Umgang mit Heterogenität und Inklusion. Hg. v. Rott, David, Zeuch, Nina, Fischer, Christian, Souvignier, Elmar & Terhart, Ewald. Münster: Waxmann, 41–56. Hasselberg, Joachim (1982). Kommunikationsbehinderungen nicht ausschließlich hochsprachlich geprägter Sprecher in der Schule. In: Der öffentliche Sprachgebrauch Bd. III (Schulen für einen guten Sprachgebrauch), bearbeitet von B. Mogge & I. Radtke. Stuttgart, 117–125. Hußmann, Stephan & Welzel, Barbara (Hrsg.) (2018). DoProfiL – Das Dortmunder Profil für inklusionsorientierte Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Münster, New York: Waxmann. Maas, U. (2008). Sprache und Sprachen in der Migrationsgesellschaft. Die schriftkulturelle Dimension. Osnabrück. Maas, Utz & Ulrich Mehlem (2003). Schriftkulturelle Ressourcen und Barrieren bei marokkanischen Kindern in Deutschland. Osnabrück: IMIS. Meiers, K. (1998). Lesenlernen und Schriftspracherwerb im ersten Schuljahr. Bad Heilbrunn. Röber, Christa (2012): Die Orthographie als Lehrmeisterin beim Spracherwerb. In: Deutsch als Zweitsprache(2).In: Deutsch als Zweitsprache 2/2012, 34-49. Rödel, Laura & Simon, Toni [Hrsg.] (2019). Inklusive Sprach(en)bildung. Ein interdisziplinärer Blick auf das Verhältnis von Inklusion und Sprachbildung. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt (Interdisziplinäre Beiträge zur Inklusionsforschung). http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0111-pedocs-174038 (Zugriff 19.05.2022) Rott, David, Zeuch, Nina, Fischer, Christian, Souvignier, Elmar & Terhart, Ewald (Hrsg.) (2018). Dealing with Diversity. Innovative Lehrkonzepte in der Lehrer*innenbildung zum Umgang mit Heterogenität und Inklusion. Münster: Waxmann.
URI: https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/30231
Fulltext version: Published version
License (according to publishing contract): CC BY-NC-ND 4.0: Attribution - Non commercial - No derivatives 4.0 International
Departement: Applied Linguistics
Organisational Unit: Institute of Language Competence (ILC)
Published as part of the ZHAW project: Digitale Möglichkeiten der Inklusion an Hochschulen (DigOPIA)
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Böhm, M., & Hohenstein, C. (2023). Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch. Universitätsbibliothek Marburg. https://doi.org/10.17192/obst.2023.101
Böhm, M. and Hohenstein, C. (eds) (2023) Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch. Universitätsbibliothek Marburg. Available at: https://doi.org/10.17192/obst.2023.101.
M. Böhm and C. Hohenstein, Eds., Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch. Universitätsbibliothek Marburg, 2023. doi: 10.17192/obst.2023.101.
BÖHM, Manuela und Christiane HOHENSTEIN (Hrsg.), 2023. Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch, 2023. Universitätsbibliothek Marburg
Böhm, Manuela, and Christiane Hohenstein, eds. 2023. Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch. Universitätsbibliothek Marburg. https://doi.org/10.17192/obst.2023.101.
Böhm, Manuela, and Christiane Hohenstein, editors. Inklusiver Schrift(sprach)erwerb Deutsch. Universitätsbibliothek Marburg, 2023, https://doi.org/10.17192/obst.2023.101.


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